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Kompetenzbasierte Unterrichtsentwicklung konkret –
eine Entwicklungsspirale für Fachkonferenzarbeit

Entwicklungsspirale

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UDO KLINGER, SUSANNE UHL-KLING

Im Kontext der Schulentwicklung kommt insbesondere der regelmäßigen Arbeit der Fachgruppen1 an einer kompetenzorientierten Unterrichtsentwicklung eine große Bedeutung zu. Dazu muss Schule den Rahmen stellen, Gelegenheit für entsprechende Arbeitsphasen geben sowie Prozess und Ergebnisse dieser Entwicklung wertschätzen. Unterstützungssysteme für Schule können hier wertvolle Unterstützung in Form von Beratung bzw. Prozessbegleitung und externe Expertise einbringen.

Wenn Unterrichtsentwicklung als integraler Bestandteil von Schulentwicklung einen festen Platz in der Schule einnimmt, ist diese innerschulische Arbeit nachhaltig. Sie ist dann in der Regel gut organisiert und folgt bestimmten, immer wiederkehrenden Schritten. Die Entwicklungsspirale für Fachkonferenzarbeit macht das Vorgehen transparent und verdeutlicht die Struktur solcher Prozesse. Sie beschreibt idealtypisch zentrale Schritte, Aufgaben und Fragestellungen, denen sich eine Fachgruppe im Verlauf ihrer Arbeit regelmäßig und wiederholt zuwenden muss.

Fachspezifische Anlässe und Fragestellungen

Fachgruppen, die sich als professionelle Lerngemeinschaft verstehen und sich in ihrer Arbeit bedeutsamen Fragen der Unterrichtsentwicklung stellen, sprechen nicht nur organisatorische und verwaltende Themen an, sondern wenden sich den drängenden Fragestellungen einer zeitgemäßen Unterrichtsentwicklung zu.

Anlässe dieser Art sind sehr vielfältig und häufi g fachspezifi sch (z. B. die Rolle des Experiments im Physikunterricht oder der Umgang mit Filmen als Texte im Deutschunterricht). Darüber hinaus gibt es selbstverständlich auch eine Reihe allgemeiner Themen, die einer breiteren Diskussion über die Fächergrenzen hinweg bedürfen (z. B. Umgang mit Leistungsmessung und Bewertung, Fördermaßnahmen), die jedoch ebenfalls in den Fachgruppen thematisiert und spezifi sch angepasst werden müssen.

Wie auch immer die Fragestellung für eine Fachgruppe konkret wird, ob durch Intervention von außen oder aus einer internen Sicht auf die Notwendigkeit der Weiterentwicklung des Faches, stets gründet die weitere Arbeit an der Fragestellung auf den vorhandenen Strukturen, Traditionen und Gewohnheiten einer Fachgruppe.

Reflexion und Bestimmung des Ist-Zustandes

Der Blick auf die Ausgangslage kann je nach Fragestellung eher im Überblick, d. h. im Sinne einer kurzen Reflexion: „Wo stehen wir?“ oder einer stärker systematischen Erhebung des Ist-Zustandes, etwa durch eine gezielte Sammlung von Daten, erfolgen. In jedem Fall dient dieser Schritt der Aufarbeitung des Hintergrundes, der Vergewisserung über die gemeinsamen Erfahrungen, dem Maß der Umsetzung von getroffenen Vereinbarungen und der bestehenden Praxis. Hilfreich ist diese Phase oft auch um Expertisen innerhalb des Kollegiums zu entdecken und von (best-practice-)Beispielen anderer Mitglieder der Fachschaft zu profi tieren. Wer kann was einbringen, wer hat Erfahrungen, wer kann welche Rolle einnehmen?

Zielklärungen und -vereinbarungen

Nach einem bis dahin nur grob festgestellten Entwicklungsbedarf, nach einer zunächst im Entwurf diskutierten Fragestellung wird es notwendig, für die zu vereinbarende Arbeit – etwa einer Fachkonferenzsitzung oder eines Studientags, die als Ort für die Arbeit angedacht wurden – klare Zielvereinbarungen zu treffen. Erfolgreiche Fachgruppenarbeit ist ohne klare Ziele, abgestimmte und von allen akzeptierte Fragestellungen nicht denkbar.

Zur Nutzung externer Beratung oder Unterstützung sollte bereits in dieser frühen Phase der Kontakt hergestellt und die Beratungskraft in die Klärungsprozesse eingebunden werden. Aus externer Sicht können nicht nur Impulse inhaltlicher Art, sondern darüber hinaus auch Hilfestellungen bei der Formulierung und bei der Gestaltung der Vergewisserungsprozesse gegeben werden. So hat es sich bei der Formulierung von Zielen bewährt, die folgenden Aspekte zu beachten:

  • Ziele und Fragestellungen sollten möglichst spezifi sch formuliert und klar abgegrenzt sein.
  • Das Erreichen eines Ziels muss erkennbar sein, die erfolgreiche Bearbeitung einer Fragestellung dementsprechend messbar.
  • Die Fragestellung sollte das Interesse möglichst aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer treffen.
  • Je attraktiver ein Ziel, desto motivierter arbeiten die Beteiligten daran.
  • Ziele sollten innerhalb des vorgegebenen organisatorischen Rahmens und der zur Verfügung stehenden Ressourcen umsetzbar sein.
  • Sie sollten in einem klaren, überschaubaren zeitlichen Rahmen bearbeitbar sein.
  • Es ist sinnvoll, bei größeren Vorhaben Zwischenschritte zu definieren und Teilziele zu formulieren.

Inhaltliche und organisatorische Vorbereitungen und Klärungen

Die weitere Planung des Vorhabens ist – je nach Fragestellung – mehr oder weniger aufwändig. Für einen erfolgreichen Ablauf sind jedoch grundsätzlich vielfältige Vorbereitungen notwendig. Dies beginnt bei der Einladung und der Klärung von Zuständigkeiten, geht über die Planung von Räumen und Material bis hin zur inhaltlichen Strukturierung von Informationen für alle Beteiligten (z. B. ein Info-Booklet, vgl. Curriculum-Workshop, Klinger 2005, Klinger et.al. 2007).

Die Bedeutung dieser organisatorischen Fragen für den Erfolg der Fachgruppenarbeit wird häufig unterschätzt. In gut vorbereiteter Umgebung arbeitet die Gruppe leichter, die Aufmerksamkeit ist entlastet und alle Beteiligten können sich auf die inhaltlichen Fragen und die Gruppenprozesse konzentrieren.

Arbeitsphase zu konkreten Themen

Für die Gestaltung der Arbeitsphase hat es sich als sehr förderlich erwiesen, strukturierte Arbeitshilfen einzusetzen. Sie fokussieren die Arbeit auf die zu bearbeitende Fragestellung, geben der Auseinandersetzung Struktur und erlauben gleichzeitig, Ergebnisse festzuhalten. Von Bedeutung ist auch die Beherzigung klarer Regeln für den Diskurs und den Umgang miteinander. Gegenseitige Wertschätzung, Respekt und Toleranz sollten selbstverständlich sein.

Je nach Fragestellung und Absprache können besonders in diese Phase externe Beratungskräfte eingebunden werden. Sie können einen fachlichen Input geben, mit ihrer Expertise zur Beratung zur Verfügung stehen oder lediglich den Prozess moderieren. Entsprechend ihrem Selbstverständnis dominieren sie den Prozess nicht und werden nicht zum Selbstzweck: Sie unterstützen und begleiten. Beratungskräfte können auch wertvolle Hilfen geben, wenn z. B. schwierige Abstimmungen anstehen. Sie sind als Externe nicht in bestehende Gruppierungen eingebunden und sollten stets eine vermittelnde, moderierende Funktion haben. Die Verantwortung für Prozess und Ergebnisse bleibt bei der Gruppe.

Formulierung der Ergebnisse

Damit Fachgruppenarbeit nachhaltig ist, müssen Ergebnisse festgehalten und verfügbar gemacht werden. In welcher Form Ergebnisse erfasst werden, ist sehr unterschiedlich. Es kann ein Protokoll sein, ein Arbeitsplan, konkrete Unterrichtsmaterialien, eine neue Aufgabe oder ein Katalog von Fördermaßnahmen. Wichtig ist, dass die Beiträge und Ideen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in einem gemeinsamen Produkt Aufnahme finden.

Vereinbarungen zur Umsetzung

Ergebnisse von Fachgruppenarbeit werden nur dann wirksam, wenn sie auch Eingang in die Praxis fi nden, d. h. wenn sie in konkreten Unterrichtssituationen umgesetzt werden. Dazu bedarf es einer Verständigung innerhalb der Fachgruppe. Es kann z. B. vereinbart werden, wer welches Material bis zu einem bestimmten Zeitpunkt im Unterricht erprobt oder Ergänzungen einarbeitet.
An dieser Stelle ist es hilfreich noch einmal auf die Zielvereinbarungen zu schauen.
Es sollte verdeutlicht werden, dass über die gemeinsam getroffenen Vereinbarungen ein hohes Maß an Verbindlichkeit entsteht. Die Frage, wie mit nicht eingehaltenden Absprachen umgegangen wird, muss ggf. auch Thema der Fachgruppe sein.

Erprobungsphase

Die Umsetzung der Vereinbarungen stellt gleichzeitig eine Erprobung der Ergebnisse dar. Was bewährt sich? Welche Folgen lassen sich beobachten? Wo liegen nicht antizipierte Schwierigkeiten und sind die Zuständigkeiten adäquat verteilt?
Eine solche Erprobung stellt einen Prüfstein gleichermaßen für die Relevanz der Fragestellungen und die Qualität der Arbeitsprodukte dar. Nur das, was tatsächlich Eingang in die Praxis findet, sollte bearbeitet werden.

Reflexion und Evaluation

Ein zentrales Element solcher Fachgruppentätigkeit ist der kritische Blick auf die eigene Arbeit. Im Mittelpunkt steht die Weiterentwicklung einer jeden Lehrkraft mit dem Ziel, zu einer reflektierten Praxis zu finden.

Erfolg und Wirksamkeit der Materialien und Unterrichtsskripte müssen sowohl von jedem Einzelnen, wie auch von der Fachgruppe stets im Blick behalten werden. Zur Überprüfung eignen sich ganz unterschiedliche Methoden und Instrumente. (Klinger et.al. 2007)
Fachgruppen sollten über ein diesbezügliches Methodenrepertoire verfügen und es zielgerichtet und adressatengerecht einsetzen.
Besonders in dieser Phase kann die Unterstützung eines externen Beraters neue Impulse setzen und eine unvoreingenommene Perspektive eröffnen.

Überarbeitungsphase

In der Regel führen die Ergebnisse der Erprobung und der Evaluation zu einer Überarbeitung der Materialien und Produkte. Dabei kann natürlich ein Produkt auch wieder gänzlich verworfen werden, wenn die gemachten Erfahrungen dies nahe legen. "Irrwege" dieser Art oder "Sackgassen" der Entwicklung sollten dabei nicht als vergeudete Energie gesehen werden, sondern vielmehr als notwendiger Teil eines komplexen Entwicklungsprozesses.
Es kann auch sein, dass sich aus der Evaluation eine andere Schwerpunktsetzung oder eine andere Herangehensweise ableiten lassen.

Neue Fragestellungen und Zielvereinbarungen

Neben der Notwendigkeit zur Überarbeitung der Ergebnisse ergeben sich häufig weiterführende oder auch ganz neue Fragestellungen, die so vorher nicht im Blick waren. Sie werden von der Fachgruppe nach entsprechenden Zielvereinbarungen aufgegriffen und können in vergleichbarer Weise nach der Struktur der Entwicklungsspirale bearbeitet werden. Damit zeigt sich die Fachgruppe als professionelle Lerngemeinschaft im besten Sinne. Sie arbeitet an den zentralen Fragen von Unterrichtsentwicklung, und verfolgt dabei sowohl die Weiterentwicklung des professionellen Selbst einer jeden Lehrkraft als auch die der Gruppe.

Literatur

Klinger, U. (2005). "Mit Bildungsstandards Unterrichts- und Schulqualität entwickeln."
Friedrich Jahresheft 2005:
Standards: Unterrichten zwischen Kompetenzen, zentralen Prüfungen und Vergleichsarbeiten: 130-143.

Klinger, U., Altrichter, H., Bader, U., Bünder, W. (2007).
Die schulinterne Curriculumwerkstatt, Werkstattbeilage in Lernende Schule Heft 37/38 2007, Seelze

1 Im Folgenden wird der Begriff "Fachgruppe" für alle Gruppen von Fachlehrerinnen und Fachlehrern eines Faches und für fachübergreifende Arbeitsgruppen verwendet.

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